Von der Gans, die eigentlich ein Fasan ist und ein Pfau werden wollte

Die Geschichte einer Namensgebung.

Auf der facebook-Präsenz des Kunstvermittlung-Kollektivs „artgenossen“ erschien eine ausnehmend schöne blaue Gans, offensichtlich von Kinderhand gestaltet. Ich bat spontan darum, die Künstlerin auf Salzburger Nockerl und eine Limonade einladen zu dürfen. Als Magdalena mit ihren Eltern vor dem Hauseingang in der Getreidegasse stand, machte ich sie auf das Zunftzeichen an der Fassade aufmerksam. „Unser Wirtshausschild, eine aus Blech geschnittene Gans im Blattkranz, wird in den Anfang des 19. Jahrhunderts datiert, der schmiedeeiserne Arm mit reichem Spiralgitter sogar um das Jahr 1600! Er ist einer von nur zwei original erhaltenen Schilde in der Getreidegasse.“ *
Alter ist nichts, womit man eine Elfjährige beeindrucken kann, aber Magdalena wollte wissen, welche Bewandtnis es mit dem Namen habe, dieser sei alleine schon wegen der eigenartigen Farbgebung einer Gans verdächtig. „Vor vielen hundert Jahren“, hob ich an, „als die Häuser ihre Namen noch in Gemälden sozusagen auf der Stirn trugen, weil ja kaum einer lesen konnte, damals war auf dem Schild ein Fasan mit blau schillerndem Kragen zu sehen, für die Menschen damals fremdes Tier, das zu Jagdzwecken aus Kleinasien eingeführt wurde. Für das einfache Volk allerdings blieb es eine Gans – eine blaue Gans.

 

In den alten Salzburger Chroniken, die vom Bauernkrieg des Jahres 1525 erzählen, wird von einem Bürgersmann berichtet, der während der Beschießung der Festung über den Platz ging, der heute Herbert-von-Karajanplatz heißt. Und just vor dem „Fasan“ verfing sich eine Kanonenkugel, die von oben kam, im bauschigen Mantel des Bürgers, ohne ihm weiteren Schaden anzutun. Ein doppelter Glücksfall, da er dokumentiert ist und dem wir die Kenntnis verdanken, dass die Gans eigentlich ein Fasan ist.“ **
Magdalena legte ihren Löffel auf den leeren Teller und bestellte sich zur Sicherheit noch eine Limonade. „Ich muss Dir etwas sagen“ raunte sie mir zu. „Meine blaue Gans ist eigentlich ein Pfau!“ Ich lächelte, bestellte mir auch eine Limo und bin mit Magdalena übereingekommen, dass die wahre Identität der Blauen Gans unser Geheimnis bleibt.
*Bis dato frühester Beleg für den heutigen Hausnamen bleibt ein Eintrag im „Municipal Register 1434-45“, von einer „Schreiberhand“ um 1602!
**Ernst Frisch in der „Salzburger Zeitung 28.11.1944, geringfügig abgeändert von Andreas Gfrerer.