Julius Deutschbauer

Bibliothekar und Dating Agent.

„Der Titel der Dating-Agentur Einer verdankt sich der Erzählung Genossenschaft Einer des polnischen Schriftstellers Sławomir Mrożek. Die Einrichtung der Agentur ist sehr schlicht. Vor „den gekachelten Wänden, im gelben Schein einer nackten Glühbirne“ sitze ich an einem Tisch und esse mein „zweites Frühstück, das aus Essiggurken besteht. ,Wer ist an der Reihe?‘ rufe ich von der Tür aus.“ (Mrożek). Und schon beginnt die penible Befragung der Hotelgäste. Die Frage ,,Wie wollen Sie Ihr Zimmer denn überhaupt bezahlen?“ aus Dostojewskis „Der Spieler“ darf neben einer solchen wie „Darf ich Ihnen glauben, dass Sie schon mal mit Tränen ein Herz besiegt haben?“ aus Mozarts Don Giovanni naturgemäß nicht fehlen.“

Diese Beschreibung seines Projekts Dating Agentur Einer, das Julius Deutschbauer für uns verwirklichte, zeigt seine Arbeitsweise: tief schürfend in der Literatur, die sein Bergwerk ist, bringt er Kostbares ans Tageslicht und fügt es in sein performatives Tun ein. Grenzgängerisch wechselt er zwischen Literatur, Theater, Performance, Film und Bildender Kunst, was Deutschbauer zu einer der spannendsten und tiefgründigsten Positionen der österreichischen Gegenwartskunst macht.

Seit 1997 betreibt er zudem die nach eigenem Wunsch nomadisierende Bibliothek ungelesener Bücher. Dazu befragt er Menschen, welches Buch in ihrem Bücherschrank steht, das sie noch nicht gelesen haben. Das Interview über das ungelesene Buch wird archiviert und das Buch selbst wird angekauft. Bis heute haben sich über 500 Interviews zu ungelesenen Büchern in der Bibliothek angesammelt. Der Künstler hat mittlerweile sogar eine Art Ranking der ungelesensten Bücher erstellt: „Dass die Bibel auf Platz eins ist, liegt natürlich daran, dass Österreich katholisch ist. Auf Platz zwei folgt dann schon das österreichische schlechte Gewissen, Musils Mann ohne Eigenschaften. Dann kommt der Ulysses von James Joyce, dann Proust Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Aber schon auf Platz fünf folgt ein Hassbuch: Mein Kampf. Übrigens ex aequo mit Karl Marx’ Das Kapital“ erklärt Julius Deutschbauer, der belesene Bibliothekar des Ungelesenen.